
Es ist einfach, positive Ergebnisse zu publizieren und damit Erfolge zu feiern. „Negative Ergebnisse“, im Falle der Chemie sind das meistens Synthesen oder Prozesse welche nicht das gewünschte Produkt liefern oder gar keine Reaktion zeigen, verschwinden in der Schublade. Das ist teilweise auch berechtigt ist, denn ein zuverlässiger Nachweis, dass etwas nicht funktioniert, ist nur selten möglich.
Was wurde in unserem Fall untersucht? Um Silicium-Waferoberflächen für Anwendungen in der Halbleiter- und Photovoltaikindustrie zu ätzen, werden Flusssäuregemische mit zugesetzten Oxidationsmitteln eingesetzt. Das Ziel der Studie war, das Oxidationsmittel Salpetersäure durch Perchlorsäure zu ersetzen, um die Bildung von giftigen Stickoxiden und Nitrat-haltigen Abwässern zu vermeiden. Wie stark Perchlorsäure und deren Salze oxidierend wirken können zeigt sich an der Tatsache, dass Perchlorate als Raketentreibstoffe genutzt werden und schwere Explosionen bei Untersuchungen von Perchloraten in Gegenwart von oxidierbaren Substanzen aufgetreten sind.
Und dennoch: Bei allen 130(!) Versuchen, Silicium mittels Flusssäure-Perchlorsäure-Mischungen anzugreifen, zeigte sich keine Veränderung der Oberflächen. Respekt an dieser Stelle für Ann-Lucia Neumann für ihr Durchhaltevermögen! Dieses Verhalten war selbst dann zu beobachten, wenn Passivierungsschichten zuvor entfernt wurden und Silicium-Wasserstoff-Oberflächen vorlagen, welche z.B. schon durch Luftsauerstoff oxidiert werden. Dies konnte u.a. mittels spektroskopischer Untersuchung (NMR, DR/FT-IR) eindeutig belegt werden.
Die Erklärung für die beschriebenen Ergebnisse fällt an sich recht einfach aus: Die extreme Oxidationskraft der Perchlorsäure stellt eine thermodynamische Eigenschaft dar, die durch kinetische Barrieren unterdrückt werden kann. Ein solche Barriere wird durch eine sehr gute Verteilung der Ladung auf dem Perchlorat-Ion bzw. eine besonders gute Abschirmung des Chlor-Atoms, welches das eigentlich oxidierende Atom darstellt, bewirkt.
Die Gutachter und Editoren ließen sich dennoch durch die sehr sorgfältigen Arbeiten überzeugen, sodass unsere „negativen Ergebnisse“ ab sofort im Artikel Investigations on the dissolution behavior of silicon in aqueous HF-HClO4-mixtures bei RSC Advances (Open Access) nachzulesen sind. [1]
[1] A.-L. Neumann, A. Stapf, N. Schubert, N. Zomack, E. Kroke, Investigations on the dissolution behavior of silicon in aqueous HF-HClO4-mixtures, RSC Adv., 2025, 15, 15796–15800 (DOI: 10.1039/d5ra00859j).