Wer baut, muss Normen beachten – das betrifft Bauingenieurinnen und -ingenieure ebenso wie den privaten Häuslebauer. Die Normen sind in einem europäischen Regelwerk, den Eurocodes, festgehalten. Da die Baupraxis in den letzten Jahren spürbar vorangeschritten ist, neue Technologien entwickelten wurden, bildeten die Normen nicht mehr in allen Bereichen den aktuellen Stand der Technik ab. Also hat das Regelwerk eine gründliche Überarbeitung erfahren. Für die Bemessung geotechnischer Bauwerke ist der Eurocode 7 (EN 1997) maßgeblich. Damit dieser in der Praxis leichter angewendet werden kann, wird er von vier ergänzenden Publikationen begleitet. Eine wurde unter Mitwirkung von TUBAF-Forscherin Dr. Julia Sorgatz erstellt.
Fünf Jahre dauerte das Verfassen der Begleitpublikationen, „eine intensive Zusammenarbeit auf europäischer Ebene“, erklärt Julia Sorgatz. „Unser Dokument >>Determination of representative values from derived values for verification with limit states with EN 1997<< unterstützt Planerinnen und Planer dabei, geotechnische Kennwerte zuverlässig und normgerecht aus Messdaten abzuleiten – selbst unter herausfordernden Bedingungen wie einer begrenzten Probenanzahl oder tiefenabhängigen Eigenschaften.“ Julia Sorgatz ist Geotechnikerin an der TU Bergakademie Freiberg. Die neue EU-Norm sei zunächst „ein Regelwerk ohne viel Erklärung“, sagt sie. Sie hat als Koautorin eine von vier Guidelines verfasst, die als praxisorientierter Kommentar der Vorschriften verstanden werden können. Der Text ist eine ergänzende Dokumentation der Inhalte und liefert Anwendungsbeispiele.
Wer beispielsweise in Hamburg baue, finde einen sehr weichen Boden vor, hier müssen Pfähle in den Grund eingelassen werden. Anderswo reiche die klassische Flachgründung, um die Standsicherheit eines Gebäudes zu gewährleisten. Bei der Bemessung dieser geotechnischen Bauwerke, also dem rechnerischen Nachweis, dass ein Bauwerk ausreichend sicher dimensioniert ist, sind Informationen zur Festigkeit des Bodens erforderlich. „Bislang arbeitete man hierfür mit Kennwerten, bei deren Ermittlung vor allem auf Erfahrungswerte zurückgegriffen wurde. Diese Herangehensweise wird nun durch statistische Verfahren ergänzt“, erklärt Julia Sorgatz.
Auch wenn vertraute statistische Methoden verwendet werden, macht die neue Begriffswelt und die Aufteilung in verschiedene Anwendungsfälle zusätzliche Erläuterungen über den Normtext hinaus notwendig. „Unsere Guideline zeigt, dass die Forschung am Institut für Geotechnik der TUBAF wissenschaftlich relevant ist, zur Weiterentwicklung der Normung beiträgt und so die geotechnische Praxis in Deutschland nachhaltig mitgestaltet“, so Julia Sorgatz.